Sie leiden an typischen Symptomen einer Schilddrüsenunterfunktion, ihr Arzt möchte ihnen aber keine Hormone verschreiben, weil die Blutwerte noch in der Norm liegen?

Sie werden bereits mit Schilddrüsenhormonen behandelt, jedoch haben sich ihre Symptome kaum gebessert und ihr Arzt möchte die Dosis Schilddrüsenhormone nicht weiter erhöhen?

Dann zeigen sie diesen Artikel ihrem Arzt und bitten sie ihn zusätzlich zum TSH-Test, um eine umfassende klinische Diagnostik einer Schilddrüsenunterfunktion anhand nachfolgend ausgewählten Scoring-Methoden der klinischen Schilddrüsen-Diagnostik, vorgestellt 2011 im “Indian Journal of Endocrinology and Metabolism”.

Zulewski’s Clinical Score für Schilddrüsenunterfunktion

Entstanden ist der Zulewski`s Clinical Score im Jahr 1997 auf der Basis des Billewicz Diagnostik Index. Im Rahmen einer Studie wurden gesunden Kontrollpersonen und Patienten mit verschiedenen Graden an Hypothyreose durch ein neues Scoring-Modell bewertet, dem Zulewski Clinical Score. 

Der Zulewski Clinical Score hat sich in dieser Studie sowohl bei der  klinische Diagnose als auch dem Ausschluss einer Schilddrüsenunterfunktion = Hypothyreose als nützlich erwiesen. 

Eine Punktzahl von > 5 Punkten konnte eine Hypothyreose mit einer Wahrscheinlichkeit von 94,2% vorhersagen, während eine Punktzahl von 0-2 Punkten eine Hypothyreose mit einer Wahrscheinlichkeit von 94,2% ausschließen konnte. 

Diese Punktzahl kann lt. der Studie verwendet werden, um den Grad der Gewebe-Hypothyreose zu beurteilen und eine Behandlung von Patienten mit widersprüchlichen Laborresultaten (z.B. Symptome trotz normalem TSH-Wert) zu unterstützen. 

Es kann auch eine Entscheidungshilfe sein, ob eine subklinische Hypothyreose schon behandelt werden soll und um eine Therapie mit Schilddrüsenhormonen zu überwachen.

Quelle

Mit diesem veränderten Scoring nach Zulweski konnte bei 62% aller offenen Hypothyreosen und bei 24% der subklinischen Hypothyreosen letztendlich eine klinische Hypothyreose diagnostiziert werden.

TSQ-Fragebogen (Schilddrüsen-Symptom-Fragebogen)

Der TSQ-Fragebogen wurde auf der Basis von Patienten-Feedback auf einen Artikel im British Thyroid Foundation Newsletter im Jahr 1996 entwickelt. 

Eine Umfrage-basierte Studie zeigte, dass der  TSQ-Fragebogen verwendet werden kann, um das Wohlbefinden bei Hypothyreose-Patienten unter Thyroxin-Ersatz zu beurteilen. 

Der TSQ-Fragebogen mit 12 typischen Symptomen kann Ärzten dabei helfen zu entscheiden, ob die individuelle Dosierung des Patienten bereits ausreicht oder noch nicht.

Quelle

Supprimierter TSH – keine Angst vor Überdosierung

Die von den Medizinern gefürchteten langfristigen Nebenwirkungen einer sogenannten “Überdosierung” mit Schilddrüsenhormonen, die den TSH-Wert supprimieren, können anhand von klinischen Scoring-Methoden ausgeschlossen werden. Zusätzlich zum TSH-Wert können die freien Werte fT3 und ft4 überprüft werden, die trotz eines supprimiertem TSH innerhalb der Norm liegen sollen und damit ebenfalls eine Überfunktion ausschließen können.

Wayne´s Index bei Schilddrüsenüberfunktion

Der Wayne Index entstand ursprünglich durch Versuch und Irrtum, hat aber eine diagnostische Genauigkeit von 85 % gezeigt.

Der Wayne Index wurde früher verwendet, um zu helfen, eine Schilddrüsenüberfunktion/ Hyperthyreose zu diagnostizieren und die Anzahl der erforderlichen Untersuchungen schnell und effektiv einzugrenzen.

Quelle 

Der Wayne Index kann Ärzten dabei helfen, einen supprimierten TSH unter Schilddrüsenhormonersatz von einer Überfunktion abzugrenzen. 

Wir Schilddrüsenpatienten sind keine Laborwerte

“Da sich herausgestellt hat, dass biochemische Untersuchungen (wie zb. der TSH-Test, kursiv von mir) nicht die erwartete diagnostische Genauigkeit liefern können, ist die Tatsache, dass die klinische Diagnostik einer Schilddrüsenfunktionsstörung ausgeschlossen ist, ein Anlass zur Sorge.” 

Im Artikel: “Thyroid function tests—time for a reassessment”  bemängeln die Autoren beispielsweise, dass durch die Fixierung darauf, einen TSH-Wert nur innerhalb des Normbereiches für gesund zu halten, es fälschlicherweise zu Diagnosen einer Schilddrüsenunterfunktion kommt, obwohl keine Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion vorhanden sind. 

Umgedreht kennen viele Schilddrüsenpatienten ein ähnliches Problem: Ist der TSH im Normbereich, werden tatsächlich vorhandene Symptome nicht mit Schilddrüsenhormonen behandelt oder die Dosis der Schilddrüsenhormone wird nicht weiter erhöht.

Dazu passend schreiben die Autoren des Artikels: “Why are our hypothyroid patients unhappy? Is tissue hypothyroidism the answer?” im “Indian Journal of Endocrinology and Metabolism”, dass in einer Studie die untersuchten Hypothyreose-Patienten am liebsten anhand einer klinischen Diagnostik anstatt dem TSH-Wert ihre Thyroxin-Dosierungen bestimmen würden:

“Das Wohlbefinden der Patienten scheint nicht mit dem “biochemischen Wohlbefinden” zu korrelieren.

Bei der Beurteilung durch eine visuelle analoge Skala des Wohlbefindens, berichteten Patienten die besten Ergebnisse auf  Thyroxin-Dosierungen, die 50 mcg höher  waren als eine “optimale” Thyroxin-Dosierung gewesen wäre, die den TSH innerhalb des Referenzbereiches gehalten hätte.”

Die höchsten Wohlfühlwerte wurden erhalten, wenn der TSH-Wert supprimiert wurde und bei <0,2 mU/l lag.

Quelle

Diese Studie zeigt: TSH-Werte innerhalb des Referenzbereiches ohne zusätzliche klinische Diagnostik können nicht sicher eine Unterfunktion trotz Schilddrüsenhormon-Gabe ausschließen bzw. ausreichend behandeln.

Vielmehr benötigt es zusätzlich eine genaue klinische Anamnese der Krankheitsgeschichte des Patienten aus Vergangenheit und Gegenwart.

Wir Patienten möchten nicht mehr länger unter der Diktatur des TSH-Wertes und den damit verbundenen nachgewiesenen langfristigen gesundheitlichen Folgen einer Gewebe-Hypothyreose leiden. Wir möchten unabhängig vom TSH-Wert auch nach Symptomen behandelt werden.

Eine Behandlung mit L-Thyroxin nur nach TSH innerhalb des Referenzbereiches kann für Patienten zu schlimmen Langzeitfolgen führen, wie diese Studie zeigt: -> Studie: T4-Monotherapie ist potentiell schädlich bei Schilddrüsenunterfunktion.

Kommen genügend Schilddrüsenhormone im Gewebe an?

Dr. John C. Lowe und seine Kollegen verwendeten dafür folgende Tests:

– Eine gründliche Anamnese eines jeden Patienten auf typische Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion anhand klinisch erprobter Symptom-Scores

– Messungen der basalen Stoffwechselrate mit einem Kalorimeter (wird demnächst wieder hier verlinkt)

– Messungen der Basaltemperatur nach Dr. Broda Barnes

– Messungen des Achilles-Sehnen-Reflexes

– Messungen des basalen Ruhepulses und des Blutdrucks

– Messung der Cholesterin-Werte (sowohl erhöhte Cholesterin- als auch erhöhte Creatinkinasewerte zeigen eine ausgezeichnete Korrelation mit den Symptomen einer Schilddrüsenunterfunktion, wie z.B. dieser Artikel zeigt.)

– EKG-Messungen

Quellen

Übersicht über die Scoring-Methoden in der Schilddrüsendiagnostik: “Clinical scoring scales in thyroidology: A compendium”

Artikel: “Thyroid function tests—time for a reassessment”

Artikel: “Psychological well-being on thyroid hormone replacement”

Artikel:  “Why are our hypothyroid patients unhappy? Is tissue hypothyroidism the answer?”

Studie -> Zulewski Clinical Score

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