In der Mitte des 19. Jahrhunderts berichtete man schon über Fälle von Mixödemen, damals wurden diese aber noch nicht im Zusammenhang mit einem Mangel an Schilddrüsenhormonen gebracht. Den Zusammenhang erkannte man damals erst, als Chirurgen Mixödeme nach einer Schilddrüsenentfernung beobachteten.

Am Anfang versuchte man sich damals sogar mit Schilddrüsentransplantationen, diese zeigten aber scheinbar keine dauerhaften Erfolge, denn Symptome der Schilddrüsenunterfunktion kehrten trotzdem oftmals zurück.

Erste Behandlungsformen mit NDT

Erste Behandlungen versuchte man damals, indem man Schilddrüsenextrakt entweder intravenös, subkutan oder oral verabreichte und man zusätzlich noch rohes oder gekochtes Schilddrüsengewebe gegessen hat. Diese Art der Behandlung zeigte damals durchaus Erfolge in der Behandlung einer Schilddfrüsenunterfunktion. Allerdings schrieb man auch von “mysteriösen” Symptomen durch diese orale Behandlung, auf die allerdings nicht weiter eingegangen wurde.

Fallbericht mit rohen Schilddrüsen

Ich habe mir einmal zwei Fallberichte aus dem Jahre 1890 angesehen. Sie erschienen im British Medical Journal vom 9.10.1892:

Ein Fall berichtet von einer 37 Jahre alten Frau, deren Schilddrüsenunterfunktion schon sehr weit fortgeschritten zu sein schien, als der Arzt sie im Jahr 1890 das erste Mal sah.

Als erstes wird aufgezählt, unter welchen Symptomen sie im Jahr 1890 litt, als sie wegen ihrer Schilddrüsenunterfunktion 6 Wochen im Krankenhaus war.

Symptome der Schilddrüsenunterfunktion

Die Symptome der Frau waren Schwindel, Mixödeme, ihre Füße, Hände und das Gesicht waren stark geschwollen, die Finger so stark, dass ihr Ehering rausgeschnitten werden musste.

Ihre Haare fielen aus und waren sehr dünn geworden. Ihr Appetit verschwand. Sie fühlte sich kalt und konnte nicht mehr schwitzen. Auch ihre Menstruation hörte auf. Sie verlor ihr Gedächtnis, ihre Sprache wurde langsam, sie wurde sich immer mehr ihrer Ungeschicklichkeit bewusst, sie verlor ihre Kraft und ihre Bewegungen wurden immer langsamer. Ihre Augenbrauen waren dünn. Ihre Temperaturen schwankten zwischen 35,4 C und 36,6 C, im Schnitt 36,1 C. Ihr Puls lag zwischen 52-68, im Schnitt bei 64.

Schlussendlich wurde sie das erste Mal mit Schilddrüsenhormonen im Juli 1892 versorgt, also 2 Jahre später. 

Therapieversuch der Schilddrüsenunterfunktion

Und zwar wird berichtet, dass 2 Schafs-Schilddrüsen zerkleinert wurden und ihr zum Essen gegeben wurden. Wie ebenfalls in Hagers Handbuch berichtet wird, wurde früher frische Schafsschilddrüse fein geschabt und auf das Brot gestrichen gegessen.

Exkurs in getrocknetes Schilddrüsenpulver

Also eine Radikalkur, würde ich sagen. Eine Schafsschilddrüse wiegt zwischen 4-7 g. Da kann ich mir die sogenannten „mysteriösen“ Symptome von weiter oben im Text durchaus vorstellen.

Im “Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis für Apotheker, Ärzte, Drogisten…” (1) habe ich verschiedene Mengenangaben gefunden:

1 frische Schilddrüse (wahrscheinlich vom Schaf, ca. 4-7g, Durchschnitt = 5,5g)= 600 mg Schilddrüsen-Pulver

10 g frische Schilddrüse = 1000 mg braunes Schilddrüsen-Pulver

Verglichen mit der Angabe von Dr. Lowe, dass die meisten seiner Patienten 2,5 – 3,5 Kapseln Thyro-Gold a 300 mg = 750-1050 mg gereinigtes Schilddrüsenpulver benötigen, dann kommt das schon hin. Der Durchschnittspatient mit Schilddrüsenunterfunktion müsste somit täglich ca. 1 Schilddrüse vom Schaf essen, um dauerhaft symptomfrei zu sein.

Weiterer Behandlungsverlauf vom Fallbericht

Am nächsten Tag, wird berichtet, erhöhte sich ihr Puls auf 72.

Ebenfalls am nächsten Tag, dem 28. Juli, bekam sie die nächste Dosis: „2 drachms“ von einem Glycerinextrakt, welcher von frischen Schilddrüsen hergestellt wurde. Um 23 Uhr Uhr bekam sie den Trank, um 24 Uhr war ihre Temperatur schon bei 37,2 C, um  3 Uhr in der Nacht bei 37,4 C und am Morgen dann bei 36,6 C. Sie schwitze zu diesem Zeitpunkt.

Am übernächsten Tag, den 29. Juli, gab sie dann Beschwerden wie Übelkeit an und sie fühlte sich leicht krank. Ihr Gesicht war rot und sie fühlte sich am ganzen Körper schmerzhaft, ihre Temperatur fiel auf 36,6 C, ihr Puls stieg an auf 80.

Sie bekam an diesem Tag 2 weitere Schilddrüsen zu essen.

Daraufhin, wieder einen Tag später, am 30. Juli, stieg ihre Temperatur wieder bis 37,4 C. 

Vom 31. Juli bis zum 3. August bekam sie dann erstmal keine Schilddrüsen mehr zu essen.
 
Ab dem 3. August bis zum 17. August bekam sie dann wieder insgesamt 20 Schilddrüsen zum Essen, hieß es.  Jedoch erbrach sie insgesamt 10 Schilddrüsen wieder…also so lecker waren die nicht wirklich. Sie nahm also innerhalb von 15 Tagen 10 Schilddrüsen zu sich, eigentlich sollten es aber 20 sein.

Weiter wird berichtet, dass ihre Temperatur vom 9. August bis zum 16. August immer zwischen 36,6-37 C lag, ihr Puls ging bis 116. 

Am 17. August stieg ihre Temperatur bis 37,7 C an und man setzte die Schilddrüsengabe wieder aus. Wie gesagt, an manchen Tagen musste sie 2 Schilddrüsen essen. Das ist schon eine Menge gewesen.

Die Temperatur bewegte sich dann weiterhin immer so zwischen 36,6 und 37 C.

Während dieser Behandlungszeit setzte jedoch eine auffallende Veränderung der Patientin ein. Ihr Arzt sagte, er habe sie nicht mehr wieder erkannt, die ganzen Schwellungen im Gesicht und an den Händen waren weg, ihr war wieder warm und sie konnte wieder schwitzen.

Heutige Sicht auf die Behandlung mit NDT

Die Dame  hatte im Schnitt also 1 Schilddrüse pro Tag gebraucht, um innerhalb weniger Wochen ihre Symptome zu verlieren. Dies entspricht ca. der Erfahrung von Dr. Lowe mit „Thyro-Gold“, dass die meisten Patienten 2,5 -3,5 Kaspeln mit Schilddrüsenpulver = 750 – 1050mg benötigen, um symptomfrei zu werden.

Heutzutage fangen viele Patienten mit 1 grain natürlichen Schilddrüsenhormonen am Tag an – sicherlich nur ein Bruchteil einer Schafsschilddrüse – und steigern dann nach und nach auf höhere Dosierungen, je nach ihrem Befinden, der Temperatur und ihren Blutwerten. Dr. Lowe empfiehlt seinen Patienten, mit 1 Kapsel a 300 mg Schilddrüsenpulver zu beginnen. Das entspricht etwa 1 grain. ACHTUNG: Dies gilt nicht für Metavive.

Quellen 

Link zum Fallbericht in der Pubmed

(1) “Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis: Für Apotheker, Ärzte, Drogisten und Medizinalbeamte”, 1. Januar 1930

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